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Kinogeschichte ist auch immer die Geschichte ihrer Rezeption. Hatte Hitchcock in der ersten Hälfte seiner Karriere noch damit zu ringen, als Künstler anerkannt zu werden, gilt er heute als einer der herausragendsten Regisseure der Filmgeschichte. Gefördert durch die jungen Kritiker (Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Eric Rohmer u. a.) um die französische Filmzeitschrift „Cahier du Cinema“ und ihre Autorentheorie politique des auteurs in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, wurde sein Werk als eines der bedeutendsten in der Filmgeschichte eingestuft, und er konnte in seinen späteren Jahren aus dem Schatten des reinen Unterhaltungskünstlers heraustreten. Was seine Filme so reizvoll für die Kritiker machte, war sicherlich seine Kontinuität in Themenwahl und Stilformen. In Hitchcocks Werk sieht man immer wiederkehrende Momente, an denen sich der Filmkritiker orientieren kann.
In der Folge der politique des auteurs wurden die Regisseure besonders hervorgehoben, deren Werk offensichtlich immer wiederkehrende Thematiken aufweist. Allerdings ist ein solcher Ansatz auch problematisch. Viele Aspekte und auch viele kreative Personen, die bei der Erstellung eines Films mitbestimmend sind, wurden zugunsten des Lobes auf den Autor, den Regisseur zurückgestellt. So beschwert sich zu Recht Lars-Oliver Beier in seinem Buch über den amerikanischen Regisseur Robert Wise: „[…] wer […] dem Regisseur das kreative Monopol zuspricht, erspart sich die Mühe, die Œuvres der Kameraleute, Ausstatter, Cutter, Drehbuchautoren, Produzenten et cetera zu studieren. Polemisch gesprochen: Die Spielarten der politique des auteurs sind deshalb so beliebt, weil sie der Bequemlichkeit der meisten Filmpublizisten entgegenkommen. Das erklärt auch, warum es über Hawks oder Hitchcock unverhältnismäßig viel mehr Literatur gibt als über Curtiz oder Wise.“ 1 [weiter]